Philip Jaerschky

Posted as guest by David Off:

Es ist ein herrlicher Tag im Frühling. Sonnenschein, Bäume blühen. Vögel singen. Dann erfahre ich, daß du nicht mehr lebst. Auf einmal scheint die Zeit stillzustehen, fast so, als ob sie einem Hoffnung macht, man könnte sie noch einmal zurückdrehen. Aber nein, wir können das nicht. Die Toten kehren nicht zurück.

Du hattest nach Frankreich geheiratet, nach La Grave, und dort als deutscher Bergführer dein Auskommen gefunden. Eine Leistung, die wahrlich Respekt verdient.
Eure Einladungskarte zur Hochzeit war übrigens so schön, dass ich sie lange über meinem Schreibtisch hängen ließ. Ihr habt gebaut und schon im neuen Haus gewohnt, Therese und du. Und jetzt ist sie: Witwe. Witwe nach nur drei Jahren.

Am 4. April starb dein Freund und Kollege Bernie Schülke in einer Lawine, auch er ein deutscher Bergführer in Frankreich. Traurig und merkwürdig genug, findest du nicht? Nun hast du ihn nur um eine Woche überlebt.
Makabre Frage, Philip – wie ist das im Himmel? Musstest du ihm ein Bier zahlen, weil du ihm so schnell gefolgt bist?
Es war so ziemlich die letzte Chance, in dieser Saison als Bergführer ums Leben zu kommen, sagt ein Kollege von dir. Du hattest die ganze Zeit kaum Gelegenheit zum Skifahren und dann noch bei feinstem Schnee einen Haufen Zeit bei Fotoarbeiten verloren. Die letzte Abfahrt sollte noch einmal Spaß bringen. Als du den Hang für die Nachfolgenden testen wolltest, riss dich das Schneebrett über 1000 Meter in die Tiefe. Lawinenwarnstufe 4 hatten sie an dem Tag ausgegeben. Vielleicht hast du zuviel riskiert an diesem 11. April 2003. Das sagt sich leicht. Aber wer von uns hat das noch nie? Den möchte ich sehen.

Du warst ein bärenstarker Allrounder. Sportklettereien bis 8a gelangen dir ebenso wie schwierige Mixedrouten. Bei der deutschen Leistungsexpedition an den Nuptse warst du jüngster Teilnehmer. Mit fünfzehn hast du deinen Vater aufs Matterhorn geführt; als erwachsener Bergführer gelangen dir mit Gästen Routen wie Walker- und Freneypfeiler.
Was uns aber am meisten beeindruckt hat, waren deine Heiterkeit und Gelassenheit, dein entspannter Optimismus. Du besaßest jenen so beneidenswerten inneren Frieden, den viele erst im hohen Alter und manche nie erreichen. Ein Tag mit dir war immer ein guter Tag.

Es klingt bescheuert, Philip, aber ich wünschte, es wäre anders. Ich wünschte, es wäre ein mieser Tag im Herbst, Bäume kahl und Nieselregen – aber du würdest noch leben. Leb wohl!

Malte Roeper www.klettern.de